Ministerpräsident Winfried Kretschmann: Feuerwehr is coming home!

Die Rede des Ministerpräsidenten beim Festabend in Heidelberg – aufnotiert von Andreas Wersch, Pressesprecher des Landesfeuerwehrverbandes Baden-Württemberg

Feuerwehr is coming home! Das Motto des 12. Landesfeuerwehrtages ist treffend gewählt. Denn die Feuerwehr hat in Heidelberg tatsächlich ein Heimspiel. Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Würzner, das wunderschöne Heidelberg ist nicht nur eine Stadt der Wissenschaft und Kultur. Hier in Heidelberg wurde auch ein wesentliches Kapitel Brandschutzgeschichte geschrieben. Herr Dr. Knödler schilderte es ja gerade schon. Hier lebte und arbeitete vor 200 Jahren Carl Metz, Feuerwehr-Pionier und Fabrikant. Ihm verdanken wir nicht nur innovative Spritzpumpen und die freiwillige Feuerwehr, sondern auch ein ganz besonderes Löschwasser: das Carl-Metz-Bier. Es wird eigens und ausschließlich für den Landesfeuerwehrtag gebraut. Darüber freue ich mich ganz besonders – ich war letztes Jahr noch Bier-Botschafter, jetzt bin ich allerdings a. D.

Doch die Geschichte des Fabrikanten Metz ist nur eine von vielen Feuerwehr-Geschichten. Wer über die Feuerwehr spricht,  erzählt auch von Innovation, von Wandel und vor allem von Gemeinschaft. Innovation hat ja Tradition bei uns in Baden-Württemberg. Und das gilt natürlich auch für unsere Feuerwehr:

  • Carl Metz revolutionierte hier in Heidelberg die Pumpensysteme.
  • Konrad Magirus erfand in Ulm die Drehleiter.
  • Gottlieb Daimler entwickelte die benzinbetriebene Feuerspritze.
  • Und vom Beitrag der schwäbischen Autobauer können Sie sich bei der Parade der Feuerwehr-Oldtimer „Nostalgie in Rot“ selbst ein Bild machen.

Unsere findigen Fabrikanten haben früh erkannt: Brandschutz ist notwendig für die Sicherheit der Bürger und gleichzeitig ein erfolgversprechendes Geschäftsfeld.  In den Feuerwehren fanden sie Partner für ihr – wie wir heute sagen würden – Produktmarketing. Erfindungsreichtum, Unternehmergeist,  aber auch Verantwortungsgefühl gingen in Sachen Brandbekämpfung Hand in Hand. Das ist typisch für schwäbische „Cleverle“ – auch wenn sie oft gar nicht aus Schwaben, sondern aus Baden kommen.

Die Geschichte der Feuerwehr ist aber nicht nur eine Geschichte der Innovation, sondern auch eine Geschichte des Wandels. Längst geht es nicht nur um Feuer und Flammen.  Zu über 110.000 Einsätzen rückte die Feuerwehr in Baden-Württemberg letztes Jahr aus.  Die Brandbekämpfung hatte daran den kleinsten Anteil.

Der Landesfeuerwehrtag mit seinen zahlreichen Vorführungen zeigt eindrucksvoll,  in wie vielen Lebenslagen wir uns inzwischen auf  die Feuerwehr verlassen können. Aus den reinen Brandschützern von einst sind heute Soforthelfer in einer Vielzahl von Not- und Unglücksfällen geworden. Unwetter, Überschwemmung, Naturkatastrophen, Verkehrsunfälle, Eisenbahnunglücke, Unfälle mit Gefahrgut…  – das sind nur einige wenige Beispiele.  Und nun kommt auch noch die Digitalisierung mit Drohnen und Löschrobotern, die schon heute vielerorts im Einsatz sind.  Und die die Feuerwehrleute in vielen gefährlichen Situationen entlasten können. Doch was die Feuerwehr letztlich im Kern ausmacht, ist der Menschund nicht die Maschine.  

Denn die Geschichte der Feuerwehr ist vor allem eine Geschichte von Gemeinschaft und Kameradschaft. Sie beginnt bei selbstbewussten Bürgern wie Carl Metz hier in Heidelberg oder auch Christian Hengst aus Durlach. Sie nahmen damals, im 19. Jahrhundert, die Brandbekämpfung selbst in die Hand, statt auf staatliche Hilfe zu warten.  Und sie waren dabei oft schneller und erfolgreicher als der Staat – das soll ja manchmal vorkommen. Vielleicht waren diese ersten Freiwilligen Feuerwehren auch so etwas wie die ersten Bürgerinitiativen. Die in diesem Sinne ein Stück zur gelebten Demokratie beitrugen.

Auch heute beweisen Feuerwehrleute höchsten Gemein- und Bürgersinn, sei es in der Berufs-, Werks- und besonders in der Freiwilligen Feuerwehr. Denn 98 Prozent der aktiven Feuerwehrangehörigen sind ehrenamtlich tätig. Und das ist ein riesen Pfund für unser Land. Denn, so hat es der Soziologe Ulrich Beck formuliert, „das ehrenamtliche Engagement ist nichts anderes als die Seele der Demokratie.“

Wir brauchen Menschen, die nicht wegschauen, sondern hinschauen und handeln. Nicht nur bei der Feuerwehr, sondern überall, wo es brennt. Gerade in dieser Zeit, in der es leider auch geistige Brandstifter gibt, aber die von ihnen gelegten Brandherde können wir nur gemeinsam in der Gesellschaft löschen.

Beim Thema Löschen fällt mir natürlich Herr Schröder ein. Was hätten wir ohne Sie und ohne Ihr Organisationsgenie in der Flüchtlingskrise 2015 gemacht? Auch an diesem Tag nochmal herzlichen Dank. Ich war so froh über Sie, ich kann es gar nicht sagen. Herr Schröder hat das zentrale Ankunftszentrum für Flüchtlinge in Heidelberg erfunden, und Herr Seehofer kommt jetzt mit seinem Ankerzentrum hinterher.

Was mich zuversichtlich stimmt: in Baden-Württemberg hat der Einsatz füreinander Tradition. Fast jeder zweite engagiert sich ehrenamtlich. So viel wie fast nirgendwo anders auf der Welt. All diese Menschen sind Vorbilder, Sinnstifter und Brückenbauer. Durch ihren öffentlichen Einsatz stärken sie den Zusammenhalt in unserem Gemeinwesen und sorgen mit ihrem Engagement dafür, dass aus dem Miteinander in unserer Gesellschaft kein Gegeneinander wird.

Die Feuerwehren sind ein besonders schönes Beispiel für den Wert, den das ehrenamtliche Engagement hier einnimmt. Fast 109.000 Frauen und Männer sind bei den Freiwilligen Feuerwehren. Für viele von ihnen ist die Feuerwehr sogar mehr als ein Ehrenamt. Es ist eine Lebensaufgabe, die schon im Kindesalter in der Jugendfeuerwehr beginnt. Besonders stolz sind wir auf die seit Jahren konstant hohe Zahl von Mädchen und Jungen, die sich hier engagieren. Hier beginnen Kameradschaft und Zusammenhalt, die weit über den aktiven Dienst hinaus fortbestehen, bis hin zu den Alters- und Seniorenabteilungen.

Die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr geben viel für die Gemeinschaft. Die knappe Ressource Zeit, die mit den vier F‘s – „Feuerwehr“ „Familie“, „Firma“ und „Freizeit“ – in Einklang zu bringen ist.

Das ist eine große Herausforderung. Insbesondere da auch die Anfahrt vom Wohnort oder Arbeitsstätte zum Einsatzort viel Zeit benötigt. Sie nehmen Einschränkungen in ihrer persönlichen Freiheit in Kauf, und, – und das ist ein ganz essentieller Punkt –, sie riskieren im Ernstfall sogar Leib und Leben für andere. Und dafür herzlichen Dank.

 Liebe Mitglieder der Feuerwehr, Ihr Mut, Ihre Entschlossenheit und Ihre Einsatzbereitschaft sind beispiellos. Unsere höchste Anerkennung und Wertschätzung gilt Ihnen, den Frauen und Männern,  die für uns alle retten, löschen, bergen und schützen – und jetzt habe ich auch erfahren –singen.  Herr Dr. Knödler, das war die Überraschung des Abends, dass Sie so kraftvoll singen.  Ich bin ja immer froh, wenn meine Stimme die Rede übersteht und Herr Dr. Knödler singt sogar noch.

Förderung des Landes

Für diese wichtigen und gefährlichen Aufgaben schaffen wir als Landesregierung geeignete Rahmenbedingungen. Dazu einige Beispiele: Ganz wesentlich ist für Sie zunächst natürlich die Frage der Finanzierung. Denn mit einem leeren Eimer kann man nicht löschen.  Deshalb können wir uns alle darüber freuen, dass das Aufkommen der Feuerschutzsteuer in den vergangenen Jahren stetig gewachsen ist. Die Einnahmen aus der Feuerschutzsteuer, die ja 1:1 der Feuerwehr zu Gute kommen, sind in den vergangenen sieben Jahren um  rund 30 Prozent gestiegen. Damit hat die Feuerwehr eine stabile finanzielle Grundlage. Die Eimer sind also gut gefüllt.

Ein besonderes Augenmerk legen wir auch auf Jugendarbeit. Fast 32.000 Mädchen und Jungen sind in Baden-Württemberg in den Jugendfeuerwehren tätig. Das ist eine starke Basis für die Zukunft. Doch wir dürfen nicht vergessen: der demografische Wandel wird früher oder später auch die Feuerwehrhäuser erreichen und einen massiven Generationenwechsel herbeiführen. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Wir fördern dementsprechend die hervorragende Nachwuchsarbeit des Verbandes und der Gemeinden. Und haben daher den jährlichen Pauschalförderbetrag für die Angehörigen einer Jugendfeuerwehr erhöht.

Zweitens müssen wir in die Köpfe investieren. Denn neue Aufgaben und neue Techniken erfordern auch neues Wissen. Feuerwehrleute sind ja heute so etwas wie Allroundtalente in Sachen Hilfe. Was sie inzwischen wissen und können müssen, wird immer vielfältiger. Dem muss die Aus- und Weiterbildung entsprechen. Nur so können sich die Feuerwehrfrauen und -männer auf ihre gefährliche Tätigkeit optimal vorbereiten. Das Land Baden-Württemberg hat hier in den vergangenen Jahren viel investiert. Wir haben hervorragende Einrichtungen, zum Beispiel die Landesfeuerwehrschule in Bruchsal. Sie ist ein hochmodernes, über die Landesgrenzen hinaus bekanntes Kompetenzzentrum. Durch den Neubau kann praktischer und theoretischer Unterricht nun an einem Ort stattfinden.

Drittens brauchen neue Aufgaben auch geeignete Strukturen. Die Leitstellen sind das Herzstück unserer Sicherheitsstruktur. Daher schauen wir uns zum Beispiel den Aufbau der Integrierten Leitstellen für Feuerwehr und Rettungsdienst derzeit sehr genau an. Wobei wir uns zum einen nach dem Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger nach Sicherheit richten. Zum anderen sind Qualität, Ausfallsicherheit und Effizienz in der Erfüllung der Aufgaben zentral.

Und ein letztes Beispiel: Es geht auch um Anerkennung. Ehre, wem Ehre gebührt. Den Einsatz der Feuerwehr kann man gar nicht genug würdigen. Daher haben wir ein weiteres Ehrenzeichen eingeführt. 15 Jahre Dienstzeit können nun mit dem Ehrenzeichen in Bronze ausgezeichnet werden.

Meine Damen und Herren, ohne Feuerwehr geht es nicht. Sie ist eine tragende Säule der Sicherheitsarchitektur unseres Landes. Nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr, Katastrophenschutz und Prävention sind ohne sie nicht denkbar. In einer Welt, in der jeden Tag Unglücke passieren, ist es gut zu wissen, dass wir uns auf die Feuerwehr verlassen können.

Sehr geehrter Herr Dr. Knödler, Sie und ihre Verbandsmitglieder setzen sich unermüdlich für die Belange der Feuerwehrfrauen und -männer ein. Ich danke Ihnen herzlich: für all die guten Impulse, die sie für die Zukunft unserer Feuerwehr geben. Und für die langjährige gute Zusammenarbeit von Verband und Land.

Jetzt habe ich viel über die Feuerwehr gesprochen. Wer mit den Feuerwehrfrauen und -männern spricht, hört Geschichten, die beeindrucken und bewegen.  Viele sind Heldengeschichten – von Menschen, die für andere wortwörtlich „durchs Feuer“ gehen. Und die meisten Geschichten haben zum Glück ein Happy End. Doch leider nicht alle. Es gibt auch Einsätze, die kein glückliches Ende nehmen, in denen jede Hilfe zu spät kommt – manchmal auch für die Kameraden.

Sehr geehrte Mitglieder der Feuerwehr, Sie gehen genau dorthin, wo alle anderen weglaufen – oder leider auch gaffen und Ihre Arbeit behindern: zum Flammenmeer, an den Unfallort, durch Giftgaswolken. Dafür danke ich Ihnen von ganzem Herzen. Danken möchte ich aber auch Ihnen, den Angehörigen und Familien. Die Zeit, die die Feuerwehrleute der Gemeinschaft schenken und vor allem die Risiken, die sie auf sich nehmen, müssen von Ihnen allen mitgetragen werden. Deswegen auch ein ganz besonderer Dank an alle, die hinter Ihnen stehen, Ihre Familien, Ihre Angehörigen und Ihre Freunde. Doch sie erleben auch gemeinsam die Freude, Teil einer großen Feuerwehrfamilie zu sein. Und wo könnte man diese Kameradschaft und Begeisterung besser teilen als hier – bei Ihrem Landesfeuerwehrtag. Damit wünsche ich Ihnen einen schönen Abend. Vielen Dank!