Feuerwehrkommandanten im Rems-Murr-Kreis bilden sich fort

Kreisbrandmeister lädt zur Kommandantenklausur / „brandaktuelle“ Themen im Fokus

[aw] Einige Führungskräfte kamen verspätet ins Tagungshotel: ein Gebäudebrand am Freitagvormittag in Urbach verhinderte ihre rechtzeitige Anfahrt. Die nicht planbare Realität des Feuerwehralltags wurde hier wieder einmal deutlich. Wenn sich die Feuerwehrkommandanten und ihre landratsamtliche Führung fernab ihrer örtlichen Bereitschaftsräume begeben, dann deshalb, um ungestört und abseits prall gefüllten Tagesaufgaben über Grundsätzliches zu diskutieren, Konzepte zu erarbeiten und anstehende Aufgaben zu erörtern. Bereits im Vorjahr hatte Kreisbrandmeister René Wauro seine Feuerwehrkommandanten aus dem Rems-Murr-Kreis zur zweitägigen Klausur nach Stimpfach-Rechenberg geladen. Nun also folgte die Fortsetzung.

Aktuelles Thema: Feuerwehrbedarfsplanung in der Kritik

Der wichtige Erfahrungsaustausch untereinander und der Blick über den eigenen Tellerrand hinaus sollen nicht zu kurz kommen, so die Intention des Kreisbrandmeisters. Deshalb lädt René Wauro immer wieder auch externe Gäste nach Stimpfach. Diesmal hielt Stadtbranddirektor Dr. Markus Hauser, Leiter der Abteilung Einsatzplanung und Organisation bei der Stuttgarter Berufsfeuerwehr, den Impulsvortrag zum Thema „Feuerwehrbedarfsplanung auf den Kopf gestellt“. Hintergrund: die aktuellen Brandschutzgesetze der Länder fordern entsprechend den örtlichen Verhältnissen „leistungsfähige Feuerwehren“. Dabei würde, so Hauser, der Gesetzgeber „bewusst unbestimmte Rechtsbegriffe“ verwenden. In Baden-Württemberg definieren die Gemeinden gemäß dem Konnexitätsprinzip („Wer bestellt, der bezahlt!“) jeweils ihr eigenes Schutzniveau. Qualitätskriterien einer Bedarfsplanung sind seit jeher die Hilfsfrist, die Funktionsstärke und der angestrebte Erreichungsgrad. Ergänzt wurden die Kriterien im Jahr 2015 um die Einsatzmittel, jedoch ohne weitere Konkretisierung. Die Bemessungsszenarien wurden hingegen detaillierter beschrieben.

Hauser lieferte Zahlen, Daten und Fakten zu aktuellen Themen des Brandschutzes und der notwendigen Bedarfsplanungen, die in mancher Hinsicht Brisanz enthielten. So widerspreche die aktuelle Hilfsfrist von acht Minuten der Realität, erklärte der Branddirektor. Der US-amerikanische Standard NFPA 1710 (National Fire Protect Association), vergleichbar mit dem in Deutschland und in der Europäischen Union geltenden Normenwerk, sehe deshalb bereits eine Hilfsfrist von vier Minuten vor.

Der Gesetzgeber geht bei uns nach wie vor von flächendeckend leistungsfähigen Feuerwehren aus. Doch im Ehrenamt sei die Tagesalarmverfügbarkeit inzwischen nicht nur im ländlichen Raum kritisch, vermerkt Hauser, und stellt die Frage, ob die real existierenden Interventionszeiten mit einem Fremdrettungskonzept überhaupt noch vertretbar seien.

Auch die Alternativen stellt Markus Hauser in den Raum: „Ein Verzicht auf Fremdrettung“ müsse „die Selbstrettungsfähigkeit erhöhen und Rückzugsbereiche schaffen“. Der Vorbeugende Brandschutz müsse dies kompensieren, die Brandschutzkonzepte der Musterbauordnung (MBO) folglich angepasst werden – was unweigerlich zu einer Verschärfung der Auflagen und damit zu einer Erhöhung der Baukosten führen würde. In England etwa, wo nicht garantiert werden kann, dass die Feuerwehren rechtzeitig zur Rettung vor Ort sind, werde die Fremdrettung bereits konzeptionell vermieden. Bei den Briten müsse jeder Aufenthaltsraum ein sogen. „Rettungsfenster“ oder alternativ einen gesicherten Treppenraum aufweisen. Ein bei uns vorgeschriebener sogen. „zweiter Rettungsweg“ sei dort nicht üblich.

Seine abschließende Kritik fasst Dr. Hauser zusammen: der vorbeugende und der abwehrende Brandschutz seinen „nicht gut aufeinander abgestimmt“. Die inhomogene Leistungsfähigkeit der Feuerwehr entspreche auch nicht „der gesetzlichen Annahme“. Die Feuerwehren könnten das verbleibende Restrisiko nur bedingt minimieren, eine Anpassung der MBO hätte „gravierende Folgen für das Feuerwehrwesen“. Sein Fazit: „Wir freuen uns über jeden, den wir retten können, und das ist auch gut so – aber wir können es leider nicht garantieren“

Polizeiführung zu Gast in der Feuerwehrklausur

Polizeidirektor Andreas Tellbach, Leiter des Führungs- und Einsatzstabes, stellte mit seinen Kollegen Oliver Echtner (Stellvertretender Polizeiführer vom Dienst im Führungs- und Lagezentrum der Polizeidirektion Aalen) und Tim Köhnlein die Aufgaben der Polizei in der täglichen Zusammenarbeit mit den Feuerwehren und den Rettungsdiensten vor, insbesondere bei sogen. „Lebensbedrohlichen Einsatzlagen“. Die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) hätten, so Tellbach, im Einsatzfall eine „Gemengenlage an Mehrfachzuständigkeiten“. Diese individuellen Ziele müssten in einem gemeinsamen Vorgehen münden.

Der Leiter des Einsatzstabes benannte die Notwendigkeiten an der Einsatzstelle und regte den gegenseitigen Austausch von Verbindungsbeamten an. So war Kreisbrandmeister René Wauro bereits mehrfach zum Austausch im Führungs- und Lagezentrum der Polizei in Waiblingen. Und für Polizeihauptkommissar Oliver Echtner ist es ohnehin ein „Heimspiel“: Der Beamte ist stellvertretender Abteilungskommandant in Schorndorf und in der Funktion des S 2 Mitglied des Führungsstabes der Feuerwehren im Rems-Murr-Kreis.

Berichte aus der (Einsatz-) Praxis

Der Waiblinger Feuerwehrkommandant und stellvertretende Kreisbrandmeister Jochen Wolf stellte seinen Kollegen Details zum nächtlichen Brandeinsatz am 5. Februar im Waiblinger Ortsteil Hegnach vor. Um 23:26 Uhr alarmiert, war es an diesem Tag bereits der vierte Einsatz der Stauferstädter. Welche Schwierigkeiten und Unabwägbarkeiten der Einsatz an einem älteren, mehrfach umgebauten Wohngebäude mit sich brachte, erstaunte auch die altgedienten Feuerwehrmänner unter den Zuhörern.

Jürgen Bruckner, der stellvertretende Leiter der Stabsstelle Brand- und Katastrophenschutz im Landratsamt, brachte seinen Feuerwehrkollegen „Aktuelles aus der Brandschutzdienststelle“ näher, so etwa zur Löschwasserproblematik, zur Rettung über Leitern der Feuerwehr und zur neuen Konzession für Automatische Brandmeldeanlagen. Der neue Vertrag, seit dem 1. Januar 2019 gültig, umfasse derzeit 505 Brandmeldeanlagen, die auf die Leitstelle des Rems-Murr-Kreises aufgeschaltet seien.

Abschließend berichtete Georg Spinner, der Vorsitzende des Kreisfeuerwehrverbandes Rems-Murr e.V., von der jüngsten Präsidiumssitzung des Landesfeuerwehrverbandes in Calw. Sorgen bereite den Feuerwehren die Novellierung des Paragraphen 2 b Umsatzsteuergesetz (UStG), das den Feuerwehren künftig bei Veranstaltungen die Umsatzsteuerpflicht auferlegt. Evaluiert werde derzeit vom Landesfeuerwehrverband, inwieweit das vom Verband herausgegebene Strategiepapier „Freiwillig. Stark!“ in den Kommunen eingebracht und umgesetzt wurde. Spinner informierte die Kommandanten auch über den aktuellen Stand des gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer durchgeführten und vielfach prämierten Projektes „Jugendfeuerwehr trifft Industrie“.

Konzeptionelle Arbeit in unterschiedlichen Workshops

Doch nicht nur die passive Rolle des interessierten Zuhörers oblag den Feuerwehrkommandanten an diesem Klausurwochenende – gearbeitet wurde auch. So erstellten die Führungskräfte in zwei Arbeitsgruppen eine neue Ausbildungskonzeption für den Rems-Murr-Kreis und berieten über die strategischen Einsatzeinheiten. Die Ergebnisse der Gruppenarbeiten wurde anschließend im Plenum vorgestellt und diskutiert. Weitere Termine der Arbeitsgruppen wurden vereinbart, in denen die Ergebnisse vertieft werden sollen. Und auch im nächsten Jahr soll es wieder eine Klausurtagung geben, so der einhellige Wunsch der Teilnehmer, gewissermaßen als positives Fazit der Veranstaltung in Stimpfach.