Dienst am Menschen statt am Schreibtisch
Wie soll die Feuerwehr der Zukunft aussehen? Versammlung des Kreisfeuerwehrverbands mit Gästen aus der Politik
Weinstadt. Bei der Jahresversammlung des Kreisfeuerwehrverbands sprachen die vier Landtagsabgeordneten bei einer „Kisten“-Gesprächsrunde mit Kreisbrandmeister Andreas Schmidt und dem Vorsitzenden des Kreisfeuerwehrverbands Georg Spinner über Wege zur Stärkung der Feuerwehr.
Die vier Landtagsabgeordneten Claus Paal (CDU), Gernot Gruber (SPD), Willi Halder (Grüne) und Jochen Haußmann (FDP) sitzen, anders als der Titel „Kisten“-Gespräch es vermuten lässt, auf Stühlen – die „Kiste“, eine umgedrehte Getränkekiste, dient als Tisch für Mineralwasser. Kreisbrandmeister Andreas Schmidt und Georg Spinner, Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbands, moderieren das Gespräch, das um die Zukunftsfähigkeit der Feuerwehr kreist. Kernthemen, das verdeutlicht der bei der Verbandsversammlung verlesene Jahresbericht, seien Mitgliedergewinnung, Betreuung des Nachwuchses, Aus- und Weiterbildung, die stetig wachsenden Aufgaben des Bevölkerungsschutzes und neue Aufgaben, die sich aus dem Flüchtlingsstrom ergeben. Das dieses Jahr herausgegebene Strategiepapier des Landesfeuerwehrverbands mit dem Titel „Freiwillig. Stark!“ vor Augen, seien die Arbeitsteilung, Unterstützung bei der Facharbeit und der Kameradschaftspflege auch für den Kreisfeuerwehrverband mit seinen Fachgebieten der richtige Weg. Immer wichtiger werde es, in Zukunft verstärkt Menschen mit Migrationshintergrund und mehr Frauen für die Feuerwehr zu begeistern.
Die erste Frage ans „Kisten“-Podium behandelt den wachsenden Berg an Bürokratie. Zukunftsfähig sei sie Feuerwehr, wenn sich die Ehrenamtlichen in den Gemeindewehren wohlfühlen und mit Freude an die Einsätze gehen. Dass Routineaufgaben und ein Mehr an Bürokratie dabei eher kontraproduktiv sind – darüber herrscht Einigkeit. Die Frage, inwieweit Feuerwehrangehörige von Routineaufgaben entlastet werden können, betrachtet Claus Paal als eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“. Bei jedem Gesetz gelte es, aufzupassen, dass „der Dienst am Menschen vor dem Dienst am Schreibtisch“ stehe und die Bürokratie nicht so viel Raum einnimmt, dass das Hauptgeschäft darunter leidet. Der Aufwand für Geräteprüfungen und Dokumentationen sei nicht immer gewollt, aber mitunter nicht vermeidbar, sagt Gernot Gruber, der dafür plädiert, sich konkret einzelne Punkte anzuschauen. Er ist skeptisch bei der Frage, ob sich Bürokratie „deutlich zurückfahren“ lässt in einer Welt, die mehr Nachweise und Dokumentation erfordere. Ein gewisses Maß sei nötig, um die Qualität zu garantieren, sagt Willi Halder. Als Gemeinderat sei auch die Verwaltung gefragt, „Unterstützung zu leisten, um die Ehrenamtlichen zu entlasten“.
Motivation und eine Form der Anerkennung seien Triebfedern für Feuerwehrangehörige, weiterzumachen, steigt Spinner ins Thema „Rentenzuschuss für Feuerwehrangehörige“ ein. Sei ein Zuschuss zur Altersvorsorge, wie es der Landtag von Thüringen für Feuerwehrangehörige beschlossen hat, auch in Baden Württemberg denkbar? Aus Sicht von Jochen Haußmann könnte dies ein „Thema auf Bundesebene“ sein. Er stellt die Frage, inwieweit die finanzielle Basis ausreichen könnte, um neue Mitglieder zu gewinnen. Claus Paal gibt zu bedenken, dass außer Geld bei der Feuerwehr weitere Faktoren eine Rolle spielen, um die Motivation aufrechtzuerhalten. „Die Mischung aus Spaß und Ernst muss stimmen.“ Weg vom Spartendenken, hin zu einer gesamtgesellschaftlichen Betrachtung, regt Willi Halder an: Die Grundidee einer Art „Ehrenrente“ findet er „faszinierend“, allerdings müsse sie für alle Blaulichtfraktionen, also beispielsweise auch für das THW und das DRK gelten.
Feuerwehr-„Kistengespräch“: Kreisbrandmeister Andreas Schmid mit Willi Halder, Landtagsabgeordneter der Grünen, Jochen Haußmann, Landtagsabgeordneter der FDP, Gernot Gruber, Landtagsabgeordneter der SPD, Claus Paal, Landtagsabgeordneter der CDU, Kreisfeuerwehrverbandsvorsitzender Georg Spinner (von links nach rechts).
Quelle: Waiblinger Kreiszeitung / Schorndorfer Nachrichten / Winnender Zeitung vom 09.11.2015 / Text: Heidrun Gehrke