Delegation aus dem Rems-Murr-Kreis dabei
Versammlung des Landesfeuerwehrverbandes in Böblingen. Zweieinhalb Tage trafen sich Führungskräfte aus Baden und Württemberg zur jährlichen Versammlung des Landesfeuerwehrverbandes (LFV), diesmal in Böblingen auf dem ehemaligen Flugfeld. Mit dabei auch Führungskräfte aus dem Rems-Murr-Kreis – nicht nur als Delegierte und interessierte Zuhörer des Tagungsprogramms. Harald Pflüger (Winnenden, Fachgebiet Feuerwehrhistorie) und Andreas Wersch (Kernen i.R., Fachgebiet Öffentlichkeitsarbeit) sind Mitglieder des LFV-Vorstandes, Markus Kramer (Schorndorf) ist als stellvertretender LFV-Geschäftsführer tätig, Matthias Kraftmayer (Welzheim) als Kassenprüfer.
Den Auftakt bildete am Freitag eine Informations- und Diskussionsveranstaltung im klimatisierten Forum der Böblinger Kreissparkasse mit interessanten Vorträgen und Workshops rund um den Themenkomplex „Feuerwehrausbildung“. Professor Dr. Rolf Arnold, Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogik an der Technischen Universität Kaiserslautern, provozierte gleich zu Beginn seines Vortrages („Wie man lehrt, ohne zu belehren – Kompetenzentwicklung neu gedacht“) mit der Eingangsthese „Man kann viel Wissen und wenig können“. Wissenschaftlich-didaktisch und trotzdem augenzwinkernd untermauerte Arnold seine Behauptungen. Die Erwachsenenbildung, ja Bildung überhaupt, müsse weg von der reinen Lehre der Wissensvermittlung, hin zu einer Kompetenzentwicklung – Wissen müsse vor allem anwendbar gemacht werden. „Wir haben Frontalunterricht, weil wir einfallslos sind“, so Arnold. Je höher der akademische Grad, desto mehr neige der Vortragende zum Vorlesungscharakter bei der Wissensvermittlung. 83.09 % aller Hochschulprofessoren unterrichteten in dieser veralteten Form. Entscheidend bei der Wissensvermittlung sei aber für den Lernenden, „was hinten rauskommt“, so Arnold in Anlehnung an ein Zitat von Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl.
Auf die praktische Umsetzung der Arnold’schen Thesen bezog sich der Beitrag von Thomas Egelhaaf, dem Leiter der Landesfeuerwehrschule Baden-Württemberg und seines Kollegen Andreas Meyer. Egelhaaf berichtete außerdem über das Neubauprojekt an der Landesfeuerwehrschule. Im Januar 2017 soll an der „Akademie für Gefahrenabwehr“ der Unterricht aufgenommen werden.
TIBRO-Studie als Grundlage für die Erstellung von Feuerwehrbedarfsplänen
35 Jahre nach Erscheinen der ORBIT-Studie, die lange Zeit als Grundlage für die Erstellung von Feuerwehrbedarfsplänen galt, gibt es neue Forschungsergebnisse. Der aus Esslingen stammende Uli Barth, Professor an der Bergischen Universität Wuppertal, berichtete über die Erkenntnisse aus der aktuellen Nachfolgeuntersuchung „TIBRO“ (Taktisch-strategisch innovativer Brandschutz auf Grundlage risikobasierter Optimierungen, so die etwas konstruiert anmutende Langversion der Studie). Das Projekt bietet den Feuerwehren neue Handlungsalternativen für Planung und Einsatz. Ziele sind u.a. auch das Schaffen einer Datenbasis für die risikoorientierte Brandschutzbedarfsplanung, die Ermittlung kritischer Brandszenarien im Hinblick auf die Personengefährdung, eine risikobasierte Optimierung der Kräfte- und Einsatzmittelplanung sowie die Risikobeurteilung und strategische Ausrichtung der Feuerwehren.
Praktisch untermauert wurde der Vortrag von Andreas Ruhs, Branddirektor bei der Berufsfeuerwehr Frankfurt am Main, der aktuelle Erkenntnisse aus Realbranduntersuchungen in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Materialprüfung vorstellte. Sein Fazit fiel klar und eindeutig aus: „Technik ersetzt kein Können!“, so Ruhs.
Umstritten sind nach wie vor auch die sogenannten Hilfsfristen, also der Zeitraum ab Eingang eines Notrufes bis zu dem Zeitpunkt, an die die Einsatzkräfte ihre Tätigkeit aufgenommen haben müssen. Auch hier spricht die TIBRO-Studie Klartext: „Es kann aus der Natur der Sache keine wissenschaftlich fundierte Hilfsfrist geben – es müssen Tote und Verletzte akzeptiert werden. Fachleute und Politik müssen entscheiden, welches Maß akzeptabel und leistbar ist“, so der Branddirektor. Bis zum Ende des Jahres soll ein Handbuch bzw. ein Infopaket für die Feuerwehrbedarfsplanung erstellt werden.
Virtuelle Ausbildung auch im Bereich der Feuerwehren einsetzbar
Viel Beachtung fand auch der Vortrag von Kreisbrandmeister Guido Plischek, der das Projekt „TaFF“ vorstellte. Dahinter verbirgt sich seit ein paar Jahren die Taktische Führungsfortbildung im Landkreis Böblingen, die virtuelle Simulationen in der Ausbildung nutzt. Über „Immersive Trainigswelten“ und die Vorteile digitaler Einsatzszenarien und virtueller Trainings berichtete daran anschließend Martin Zimmermann, Vorstandsvorsitzender der Virtual Dimension Center (VDC) in St. Georgen und Fellbach. Vielfältig sind die Einsatzmöglichkeiten der virtuellen Simulation mit 3D-Technik, vielbestaunt waren die Beispiele, die Zimmermann nannte (www.virtual–fires.de / www.vdc-tz-stgeorgen.de).
Innenminister und Landtagspräsident zu Gast bei der Feuerwehr
Am Samstag folgte schließlich in der „Legendenhalle“ der Böblinger „Motorworld“ die alljährliche Versammlung des Landesfeuerwehrverbandes. Dessen Präsident Dr. Frank Knödler erstattete den Delegierten ausführlich Bericht. Knödler wurde u.a. deutlich zur Regulierungswut im Vorbeugenden Brandschutz: „Nicht überall, wo Brandschutz draufsteht, ist tatsächlich auch Feuerwehr oder Knödler drin“. Sein klares Bekenntnis auch zu den ehrenamtlich tätigen Feuerwehren: „Würde man die Freiwilligen Feuerwehren durch hauptamtliche Kräfte ersetzen, würde es das Land rund 2,6 Milliarden Euro im Jahr kosten – das sind 10 % des Landeshaushalts“, so Knödler, oberster Chef der Stuttgarter Berufsfeuerwehr.
Lob und Anerkennung erfuhren die Feuerwehrmänner und –frauen auch durch Landtagspräsident Wilfried Klenk MdL, der in seinem Grußwort die Thesen Knödlers untermauerte: „Fernes Wasser löscht kein nahes Feuer“, so ein chinesisches Sprichwort, mit dem Klenk, selbst Mitglied der Feuerwehr Oppenweiler, die Notwendigkeit ortsnaher Feuerwehreinheiten unterstrich. Klare Worte des Landtagspräsidenten auch für die nicht immer einfachen Aufgaben, denen die Löschmannschaften ausgesetzt sind. „Auch die beste Einsatzbekleidung schützt allenfalls den Körper, aber nicht die Seele“.
Innenminister Reinhold Gall, als Zugführer aktiv bei der Feuerwehr Obersulm, richtete sich in seiner Ansprache an die Kameraden. 57 Millionen Euro würden im kommenden Jahr den Topf der Feuerschutzsteuer füllen – „soweit die gute Nachricht“. Dementgegen stünden aktuell aber „dreimal mehr Anträge als zuvor“, wusste Gall. Der Innenminister betonte unter dem Beifall seiner Kameraden, dass sich die Notwendigkeit einer Beschaffung nicht daran orientieren dürfe, „ob gerade Geld in der Kasse sei“.
Doch nicht nur ernste Themen standen auf der Agenda der Verbandsversammlung. Für große Heiterkeit sorgte Werner Mezger bei seinem mit zahllosen Anekdoten gespickten Vortrag „Gelbfüßler und Sauschwoba – zum besonderen Miteinander zweier ungleicher Geschwister“. Der Professor für Europäische Ethnologie an der Universität Freiburg hielt augenzwinkernd auch den Mitgliedern des Landesfeuerwehrverbandes den Spiegel vor.