Wenn’s brennt im Welzheimer Wald

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 28.07.2016 / Text: Thomas Milz

Rudersberg. Ein heißer, trockener Sommer. Und auf einmal brennt es an gleich vier Stellen im Welzheimer Wald. Das war das Ausgangsszenario für eine Übung des Führungsstabs der Rems-Murr-Feuerwehren in Rudersberg. Organisation ist in solchen Katastropheneinsätzen das Wichtigste. Ziel der Übung, so Pressesprecher Tim Maier: „Da ist ein Waldbrand – und jeder weiß, was zu tun ist!“ Wie schnell kann das passieren! Eine langanhaltende Hitzeperiode. Der Grundwasserspiegel hat sich gesenkt. Boden, Gräser und Geäst im Wald staubtrocken. Eine achtlos weggeworfene Zigarette oder das nicht genügend ausgetretene Lagerfeuer einer Wandergruppe – und schon fängt der Wald an, hellauf zu lodern! So die Ausgangslage der Übung eines Ernstfalls, der nun in Rudersberg von gut 30 Feuerwehrleuten der Einsatzstäbe geprobt wurde.

Vom Einsatzleitwagen II wird die „Schadenslage eingespielt“

Im Hof der Feuerwehrstation steht der Einsatzleitwagen II. Ein mit Info-High-Tech ausgestatteter Kommunikationsknoten, bei dem die (für den Übungs-Katastrophenfall ausgedachten) Daten von den Löschtrupps vor Ort eingehen. Von hier aus wird für die Leitung des Einsatzstabes die „Schadenslage eingespielt“, wie es im Jargon der Floriansjünger heißt: Waldbrände im ganzen Welzheimer Wald verteilt. Ein großes Freizeitzeltlager bei Rudersberg ist bedroht. Die Jugendlichen werden vom Feuer überrascht, es entsteht Chaos. Per Handy alarmierte Eltern versuchen, mit ihren Autos den Platz zu erreichen. Bedroht ist auch der Wald um den Berghofsee beim Rudersberger Teilort Edelmannshof. Dort befinden sich 80 Kinder und 15 Erwachsene in Ruderbooten auf dem See. Dramatik pur! Der Führungsstab hat sich im ersten Stock des Feuerwehrgebäudes eingerichtet. Er besteht aus etwa 15 Personen, darunter Führungskräfte des DRK und der DLRG. Sogar ein Pfarrer ist anwesend.

Lego für die Einsatzwagen

Am Tisch koordinieren sechs Stabsleiter ihre jeweiligen Aufgabenbereiche: S 1, Innerer Dienst, zuständig für die Verbindung zu Verantwortlichen wie Bürgermeister, Landrat bis hin zum Innenminister. S 2, Lage, weiß, wer ist wo und was gerade passiert. S 3, Einsatz, hat die Übersicht über die Löschtrupps vor Ort und weiß, was fehlt. S 4, Versorgung, kümmert sich um Nachschub von Fahrzeugen, Sprit oder auch Getränken. S 5, Presse und Medien, hält den Kontakt zu Journalisten, und schließlich S 6, Information und Kommunikation, ist verantwortlich für eine funktionierende Funktechnik zwischen Leitstelle und Einsatzkräften. Der Einsatz hat um 19 Uhr begonnen. Die Atmosphäre ist konzentriert, aber nicht verbissen. Ein Team, das sich kennt, einander vertrauen kann. Erprobte Kameraden. Fachleute. Es gibt strenge Abläufe. Viel Papier wird beschrieben und bewegt. Aber das ist kein Bürokratismus, sondern schafft verbindliche Struktur für alle. Ohne Plan keine effektive Organisation. „Dabei ist es für den Führungsstab eben nicht entscheidend, vor Ort zu sein, sondern die Übersicht zu haben“, erklärt Tim Maier. Ein Rädchen muss dabei reibungslos ins andere greifen.

Auf legoähnlichen Modulex-Tafeln kleben magnetische Plättchen, die die verfügbaren Einsatzwagen im gesamten Rems-Murr-Kreis sichtbar machen. Einige der Plättchen sind schon auf das große Pin-Board geheftet. Dort sind insgesamt vier Feuerstellen markiert: bei Murrhardt die Hörschbachschlucht, in Welzheim die Wieslaufschlucht, wo sich je fünf Löschfahrzeuge im Einsatz befinden. Mit schon sieben Wagen wird der Brand beim Edelmannshof bekämpft, und am Flächenbrand in Althütte ist ein Wagen unterwegs. Die interne Kommunikation läuft auf Hochtouren. Da kommt kurz vor 20 Uhr eine neue „Ereignismeldung“ aus der Einsatzleitstelle im Wagen II. In Rudersberg sei die Lage außer Kontrolle geraten. Es wird zusätzliche Hilfe angefordert. Sehr wichtig ist dabei die sogenannte „Sichterstelle“. Das sind drei Kameraden, die die einlaufenden Informationen an die richtigen, nämlich zuständigen Stellen weiterleiten, wo die weiteren Entscheidungen getroffen werden.

Feuer außer Kontrolle

Daniel Köngeter, der stellvertretende Kreisbrandmeister, erklärt, dass die Abläufe für die Arbeit der seit 2012 in ihrer jetzigen Form bestehenden Stabsstellen für Brand- und Katastrophenschutz bei den Landratsämtern in der „Feuerwehrdienstvorschrift 100“ geregelt sind. Dort seien auch „die Führungsstufen definiert“. Damit nichts durcheinanderläuft.
Zurück zum Pin-Board. Dort signalisieren an zwei der Brandherde kleine Aufkleber mit drei Flämmchen, dass hier das Feuer außer Kontrolle geraten ist. Gelbe, dreieckige Kleber bedeuten die Höhe des entstandenen „Schadenskontos“ im Brandgebiet. Erneute Lagebesprechung. S 2 referiert: „Murrhardt außer Kontrolle. Sämtliche Fahrzeuge im Einsatz. Auch Welzheim komplett im Einsatz.“ Es werden neue Wagen dazu alarmiert. Auch in Rudersberg eskaliert die Situation. Es werden die Kameraden aus Waiblingen, Schorndorf und Winterbach alarmiert.

80 Kinder, 15 Erwachsene im Feuer: Es geht um Menschenleben

Die Temperaturen sind auf 39 Grad gestiegen. Der Wind aus Südost hat seine Stärke verdoppelt. Klar wird, dass sich die Feuerwehr bei diesem Übungseinsatz nichts schenkt, sondern vorsorglich den schlimmsten Fall ansetzt. Auf einem Kärtchen stehen die Zahlen: „80 Kinder, 15 Erwachsene“. Es geht um Menschenleben.
Das ist auch das Arbeitsfeld des Notfallseelsorgers für den Rems-Murr-Kreis, Arno Konrad. Seine Arbeit ist es im Ernstfall, „den Menschen beizustehen, bis das soziale Netz wieder greift, Menschen aufzufangen und die Einsatzkräfte zu entlasten“. Kurz vor 22 Uhr ist die Übung beendet, das Feuer besiegt. Bis zu 300 Feuerwehrleute wären dann real im Einsatz gewesen, um eine größere Katastrophe zu verhindern.

Fazit des Übungseinsatzes von Joachim Stocker, dem Rudersberger Feuerwehrkommandanten: „Es war sehr koordiniert, hat gut funktioniert. Was fehlte, waren mehr Landkarten des Einsatzgebietes.“ Und man glaubt es kaum: „Tesafilm zum Anpinnen“.

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Einsatzleiter Stefan Schuh, Kommandant der Feuerwehr Weinstadt, vor einem Lageplan. Foto: Habermann / ZVW