Bahnhofspaten malen mit Sprayern im Akkord
Seit zehn Jahren kümmern sich Feuerwehrveteranen, Schüler und Lehrlinge aus dem Rems-Murr-Kreis und darüber hinaus ehrenamtlich um saubere Zugstationen. Die Bahn und die Beteiligten sprechen von einem Erfolgskonzept.
Bahnhöfe sind oft wie Visitenkarten: Ist die Haltestation nicht gerade in einem properen Zustand, hinterlässt dies bei den ankommenden Fahrgästen nicht den besten Eindruck – ganz im Gegenteil. Das war für den früheren Weinstädter Oberbürgermeister und Landtagsabgeordneten Jürgen Hofer im Verein mit dem Feuerwehrmann Karl Idler Anlass, Bahnhofspatenschaften zu gründen mit dem Ziel, unschönen Bahnhaltepunkten zu einem gepflegten Aussehen zu verhelfen. Jetzt ist Jubiläum gefeiert worden: seit nunmehr zehn Jahren besteht diese Sauberkeits-Initiative, nicht nur entlang von Rems- und Murrbahn, sondern auch in anderen Landkreisen der Region. Mittlerweile gibt es 50 solcher Patenschaften, 38 davon sind allein laut dem einstigen Kreisbrandmeister Idler im Rems-Murr-Kreis beheimatet.
Der frühere Kreisbrandmeister ist begeisterter Pate
Der spricht von einer Erfolgsgeschichte und auch Nikolaus Hebding, DB-Bahnhofsmanager in Stuttgart, zeigte sich jetzt gleichfalls bei einer kleinen Jubiläumsfeier in Bad Cannstatt voll des Lobes über den Einsatz der ehrenamtlichen Verschönerungsaktivisten. Die Ersten bei der Mitmachaktion waren Karl Idler und seine Feuerwehrveteranen. Nicht wenigen davon sei es einfach darum gegangen, sich ehrenamtlich zu engagieren. Er selbst als Mitbegründer der Aktion erhielt jetzt von der Bahn ein Waggonschild mit der Aufschrift ICE 1933 Karl Idler – Stuttgart-Weinstadt – 10 Jahre Bahnhofspatenschaft. Angefangen hat das Ganze entlang der Remsschiene an den Bahnhöfen von Endersbach, Schorndorf und Urbach. Die Urbacher Floriansjünger wurden zunächst nicht zum Jahresabschluss mit Vesper eingeladen, weil sie zum DB-Bezirk Ulm gehörten. Doch das regelte Idler ganz schnell mit der ihm typischen Verve, ,,wenn die Urbacher da nicht willkommen sind, machen alle Altersfeuerwehren nicht mehr mit“. Von da an waren die Urbacher immer auch beim Vesper dabei.
Der „Graffiti-Krieg“ hat nachgelassen
Vor allem ging es bei den Einsätzen der Bahnhofspaten darum, Graffitis in Unterführungen und an Bahngebäuden zu übermalen. Da hatten die Streichkommandos reichlich zu tun. Oft, erinnert sich Idler, mussten die aufgesprühten ,,Kunstwerke“ mehrfach überpinselt werden. Mit der Zeit habe sich da eine Art sportlicher Zweikampf entwickelt. Immer wenn sich die Sprayer ans Werk machten, waren bald darauf die Paten da und malten das Ganze wieder zu. Die Hoffnung, dass die Spraydosen-Künstler irgendwann die Lust verlieren, erwies sich als nicht ganz unbegründet. Für den Bahnmanager Hebding und Karl Idler steht jedenfalls fest, zumindest einen Punktsieg errungen zu haben. Mit anderen Worten: der Graffiti-Krieg hat merklich nachgelassen, die Zermürbungstaktik der Kämpfer wider die Mauerbeschmierer war nicht ohne Wirkung geblieben.
Die Bahnhofspaten, die auch vom VVS unterstützt werden, greifen freilich nicht nur zum Pinsel, sondern auch zum Schlauch, mit dem sie dann voll gepinkelte Fußgängerunterführungen reinigen. Und wenn es not tut, stutzen sie auch Hecken auf dem Bahnhofsgelände, und manche der ehrenamtlichen Helfer gießen sogar Blumen und klauben Müll auf dem Bahnsteig auf, obwohl das nicht zu den definierten Aufgaben gehört. An Begeisterung mangelt es den Bahnhofspaten nicht, sagt Idler. Von ihnen verspricht sich die Bahn etwa auch Hinweise auf Mängel technischer Art.
Die Idee hat auf Nachbarkreise abgefärbt
Längst sind nicht nur Feuerwehrveteranen mit von der Partie. In Kornwestheim, in Waiblingen und Zuffenhausen bilden Schüler den harten Kern der Bahnhofsverschönerer, in Esslingen sind es die Lehrlinge eines Autohauses. Der Lohn für die Aktivisten: ein Vesper, in diesem Jahr gab’s eine orangefarbene Weste dazu. Es sei nicht so, sagt der Bahnmanager Hebding, dass sich die Bahn einer ihrer Aufgaben entziehen wolle. Es sei aber gut, Bürger zu haben, die einen Blick auf bahneigene Anlagen werfen und im Fall eines entdeckten Missstandes Meldung machen. Für derlei nützliche Hinweise, versichert Hebding, sei die Bahn stets dankbar.
Quelle: Stuttgarter Zeitung vom 29. Dezember 2014 / Text: Ottmar Letzgus