Es gibt keinen absoluten Schutz

Quelle: Waiblinger Kreiszeitung vom 21.12.2016 / Text: Andrea Wüstholz

„Achtsam sein, aber nicht ängstlich“ / Kreisbrandmeister entwickelt Bevölkerungsschutzkonzept weiter

Nach schrecklichen Ereignissen wie am Montagabend in Berlin stellen sich stets dieselben Fragen: Kann so etwas bei uns auch passieren? Wie können wir uns schützen? Die ehrlichen Antworten lauten: Denkbar ist leider alles und 100-Prozent-Schutz ist unmöglich. „Die Terrorgefahr ist auch in Baden-Württemberg nach wie vor sehr groß, auch wenn es keine konkreten Hinweise auf einen Anschlag gibt“, das hat der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl bereits im Juni zu Protokoll gegeben. Polizeisprecher Holger Bienert von der Polizeidirektion Aalen bestätigt, dass nach wie vor von einer „hohen abstrakten Anschlagsgefahr“ im Land auszugehen sei. Das gilt ganz allgemein, ohne dass es konkrete Hinweise gäbe.

In Berlin war der Weihnachtsmarkt Ziel eines allem Anschein nach terroristischen Angriffs. Während der kurzen noch verbleibenden Weihnachtsmarkt-Zeit werde die Polizei auf diesen Märkten verstärkt präsent sein, so Holger Bienert. Bei Terroranschlägen koordiniert die Polizei federführend Einsätze. Die Feuerwehr richtet ihren Fokus auf andere Einsatzlagen. Kreisbrandmeister René Wauro lässt sich von dem Vorfall in Berlin persönlich nicht beeinflussen oder gar einschränken. Nichtsdestotrotz: „Eine gewisse Vorsicht sollte immer da sein.“

Vorbereitet sein „auf gewisse Dinge“

Fürs kommende Jahr hat der Kreisbrandmeister ein großes Projekt auf der Agenda: Das Konzept für den Bevölkerungsschutz im Rems-Murr-Kreis wird weiterentwickelt. Der Landkreis will „vorbereitet sein auf gewisse Dinge“, umschreibt Wauro das Vorhaben, dessen Details er jetzt noch nicht ausplaudern will. Es geht um Schnittstellen, um die möglichst reibungslose Zusammenarbeit verschiedener Organisationen, um Öffentlichkeitsarbeit. Eine gute Pressearbeit hält René Wauro „für eins der A und Os“, zumal in Zeiten von Facebook und Twitter rasend schnell falsche Gerüchte ins Kraut schießen. Kann das wenigstens einigermaßen verhindert werden und ist die Öffentlichkeit im Fall der Fälle ausreichend informiert, „dann ist schon viel gewonnen“.

Das Ereignis in Berlin wird keinen Einfluss auf das Bevölkerungsschutzkonzept für den Rems-Murr-Kreis haben, sagt der Kreisbrandmeister, zumal es in diesem Konzept eher um Schutz bei Naturkatastrophen oder Stromausfällen geht. „Wir müssen schauen, dass wir das jetzt voranbringen“, unterstreicht Wauro die Bedeutung des Konzepts. Unter anderem wird es darum gehen, kritische Infrastrukturen im Rems-Murr-Kreis näher zu definieren. Als kritische Infrastruktur und damit besonders schützenswert gelten beispielsweise die Bereiche Informationstechnologie, Energie oder Ernährung. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat diese Sektoren besonders im Blick, weil Ausfälle in diesen Bereichen Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen nach sich ziehen.

Als die Bundesregierung im Sommer ihr neues Zivilschutzkonzept vorgestellt hat, ernteten die Verantwortlichen Häme und Vorwürfe, Panikmache zu betreiben. Eine Reihe von Medien biss sich fest am Rat an die Bürger, einen Lebensmittelvorrat für zehn Tage zuhause bereitzuhalten. Dabei ist dieser Rat alles andere als neu – und Vorratshaltung „macht auf jeden Fall Sinn. So unrealistisch ist das ja gar nicht, dass man das braucht.“

Der Kreisbrandmeister rechnet durchaus auch mit Widerständen bei der Weiterentwicklung des Bevölkerungsschutzkonzepts. Naturgemäß sind sich nicht immer alle Beteiligten einig, und es geht ums Geld. Ließe sich der Bevölkerung bereits Ende 2017 „etwas verbindlich Abgestimmtes“ präsentieren, „das wär toll“. Das ganze Projekt wird indes in einem Jahr noch längst nicht abgeschlossen sein.

Zurück zum für so viele Menschen tödlichen Ereignis in Berlin. Terroristen wollen, dass die Menschen verängstigt sind, ihr gewohntes Leben einschränken, so nimmt es René Wauro wahr. Genau das sollte nicht eintreten. Ob es nun ein Terroranschlag ist, eine Naturkatastrophe oder ein Industrieunfall – solche Vorfälle bewegen die Bürger. „Da müssen wir ein richtiges Signal setzen. Wir planen. Wir tun was“, verspricht René Wauro.